zu 3.1
Das Stück 3.1 will etwas Elementares sicherstellen: Alle sollen die Zehn Gebote kennen, sie aufzählen und wenn möglich darlegen können, weshalb sie auf den zwei Tafeln so geordnet sind, wie das der Fall ist. Daraus ergibt sich die Zusammenfassung dieser Gebote mit dem Doppelgebot der Liebe:
Du sollst Gott ungeteilt und über alles lieben (erste Tafel),
und deinen Nächsten lieben wie dich selbst (zweite Tafel).
Gemäss 5. Mose 4,1 sind es zehn Gebote, die dem Volk Israel durch Mose auf zwei Tafeln gegeben worden sind. Die Lektüre des biblischen Originaltextes 2. Mose 20,1-17 (oder 5. Mose 5,6-21) macht aber deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, in diesem fortlaufenden Text die Zehn Gebote eindeutig und klar zu identifizieren. Dementsprechend gliedern sie die Juden, die römisch-katholische, die lutherischen und die orthodoxen, anglikanischen und reformierten Kirchen auf je etwas andere Art. Gemeinsam ist allen, dass sie die Zehn Gebote auf zwei Tafeln verteilen.
Ein erster Versuch, eigenständig die Zehn Gebote aus dem Text 2. Mose 20,1-7 herauszudestillieren, bietet Stoff zu einem ersten Austausch, bei dem oft eigenwillige und bedenkenswerte Vorstellungen zur Sprache kommen (zum Beispiel der Gedanke, dass das Verbot, jemanden zu töten, das erste Gebot sein müsse, weil das Menschenleben das höchste aller Güter sei – was offensichtlich nicht im Einklang mit der Bibel ist).
Sind die Zehn Gebote einmal bekannt, bietet ein Arbeitsblatt die Möglichkeit, diese Kenntnis an praktischen Beispielen zu trainieren: Welche Gebote werden mit einem bestimmten Verhalten übertreten?
Bezeichnend für den Gott Israels, und darum besonders wichtig, ist das Verbot, seinen Namen zu missbrauchen. Was genau ist damit gemeint? Ein Arbeitsblatt hilft, diese Frage zu schärfen und ein Verständnis dafür zu wecken, wie wichtig dieses Verbot ist: In welcher Situation wird der Name Gottes rechtmässig gebraucht, in welcher unrechtmässig missbraucht?
Im klärenden Gespräch über den präzisen Gehalt der Gebote zeigt sich immer wieder: Das Recht dieser Gebote wird gerne in Frage gestellt. Warum ist das Töten verboten und die Soldaten tun es doch? Ist es nicht besser, eine Ehe zu scheiden, als dass Menschen ein Leben lang miteinander unglücklich sind etc.). Den Unterrichtenden muss klar sein: Solche Problematisierungen dienen vor allem dazu, den Anspruch (und die impliziten Anklagen) der Gebote auf Distanz zu halten. Das Gespräch muss deshalb den präzisen Gehalt der Gebote (im Unterschied zu schwammigen Moralvorstellungen) klären und dabei auch festhalten: Immer schon galt: Not bricht Recht. Das 6. Gebot verbietet das Morden, das ungezwungen geschieht, nicht die Verteidigung von Recht und Leben, wie das Soldaten tun, und das 7. Gebot untersagt den Ehebruch, nicht die Scheidung einer Ehe, die schon gebrochen ist etc. Die Gebote in sich sind gut und nicht schwer!
Besonders wichtig und besonders gefährdet ist auch in unserer Zeit das Verbot des Tötens (das 6. Gebot). Insbesondere die Fragen am Rand gefährden seinen Kern. Gerade junge Meschen müssen aber wissen:
Ein werdendes Leben im Mutterleib ist ein menschliches Leben. Das macht ein Einblick in seine staunenswerten Entwicklungsphasen, wie ihn die moderne Medizin ermöglicht, herzergreifend deutlich. Dieses Leben darf höchstens getötet werden, wenn es tatsächlich das Leben der Mutter tödlich bedroht.
Das gilt auch für das Ende des Lebens: Zwar kann ein tödliches Gift ein Leiden verkürzen. Doch wenn ein Mensch selber zum Giftbecher greift und ihn leertrinkt, dann ist das Letzte, das er tut (eventuell mit Hilfe anderer Menschen), dass er tötet. Was hat das für Folgen – dann, wenn er tot ist? Wird Gott darüber richten? Wie? Welcher Mensch könnte das sagen? Mit welchen Argumenten?
Dazu bietet ein Dokumentarfilm vom Fernsehen SRF hoch aktuellen Stoff zum Nachdenken:
Der Film zeigt, wie Menschen sich von der Organisation EXIT ausbilden lassen. Die Organisation nennt sich «Sterbehilfeorganisation», obgleich sie eine Organisation ists, die Informationen bietet und am Ende das Gift bringt, um sich selber zu töten. Die Menschen werden zu «Freitodbegleitern» ausgebildet, obgleich sie Menschen begleiten, die nicht freiwillig, sondern von einer Krankheit gezwungen dem Leiden entfliehen wollen.
Ein Arbeitsblatt zu diesem Film kann ein kritisches Gespräch über den Film und die Vorstellung, eine Flucht in den Tod sei möglich, fördern.
Dazu einfache Überlegungen in der Basler Ärztezeitschrift: «Sterbehilfe» vom Tod her gedacht.
Werden die zwei Gebote und die acht Verbote so gehört und bedacht, wie sie tatsächlich ausformuliert sind, ist es ziemlich unwidersprechlich: Sie fordern nichts übermenschlich Schweres. Sondern sie verbieten, was anmassend, unrecht, schädlich und böse ist. Insbesondere von den Geboten der zweiten Tafel lässt sich zeigen, dass sie vernünftig und für alle Menschen gut sind: Sie schützen davor, dass ein Mensch einem anderen etwas antut, von dem er selber nicht möchte, dass es ihm angetan wird. (Der Philosoph Immanuel Kant hat alle ethischen und moralischen Forderungen auf diesen «kategorischen Imperativ» reduziert.)
Die Quintessenz dessen, was das Nachdenken über die Gebote bewirken soll, ist vom Apostel Paulus Römer 2 und 3 ausformuliert worden: Diese Gebote sind derart elementar, einfach, hilfreich, vernünftig und gut, dass sich daraus die grosse, unheimliche, beschämende Frage ergibt: Weshalb halten wir Menschen diese Gebote nicht? Weshalb brechen wir fast täglich eines von ihnen?
Zum rechten Verständnis der biblischen Liebesbotschaft gehört deshalb auch der negative Höhepunkt der sonst so positiven Davidgeschichte: Der erstaunlich detaillierte, in der Schilderung der unerwarteten Wendungen sehr realistische Bericht vom Ehebruch und Auftragsmord Davids. Der Mann, dessen Berufung, Aufstieg und Bewährung in leidvollen Zeiten sich als Vorbild und Ideal anbietet, präsentiert sich selber als einer unter all den vielen, die zur Macht gelangt sind und diese Macht selbstgefällig missbrauchen. Auch wenn das für die Kinder und Jugendlichen eine herbe Enttäuschung ist, muss dieser Teil der Davidgeschichte erzählt und die Erinnerung an sie eingeübt werden. Dazu kann eine Zusammenfassung der Klimax der Davidgeschichte mit Hilfe von Bildern Rembrandt van Rijns hilfreich sein.
Dazu die einfache Frage: Welche der Zehn Gebote hat David gebrochen?
Es ist wichtig, dass in diesem Zusammenhang zumindest einen Moment lang die Psalmen 32 und 51 zu Wort kommen.
Für das schmerzliche Rätsel, dass wir Menschen in der Sünde verfangen sind und bleiben, kann auf sehr, sehr vieles verwiesen werden, zum Beispiel:
Den Song Johnny Cashs: «Man in black»: https://www.youtube.com/watch?v=oDd32K-mOVw.
Die stillschweigende Zustimmung, mit der eine Mehrzahl der Angehörigen es geschehen liessen, dass ihre behinderten Familienmitglieder von den Nationalsozialisten ermordet wurden: https://www.youtube.com/watch?v=HB1oa_fAHOk,
dazu beklemmend detailreich das Buch: Die Belasteten. «Euthanasie» 1939 – 1945.
Das Drama, in dem der Dichter Georg Büchner am Beispiel der französischen Revolution zeigt, wie alle revolutionären Versuche, die Geschichte zum endlich Guten zu wenden, daran scheitern, dass wir Menschen so sind, wie wir sind (Danton im 4. Akt: «Es fehlt uns etwas, ich habe keinen Namen dafür!») Die Zusammenfassung auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Dantons_Tod.
Der Mundartsänger Mani Matter hat das viel humorvoller und kürzer zusammengefasst in seinem Lied «Dr mönsch isch wi dä» https://www.youtube.com/watch?v=17dkPBV6QiA.
Dazu die Notiz in seinem Notizbuch in Cambridge:
Es sei zwar schwer, das den modernen Menschen in ihrem Stolz klarzumachen,
„und doch ist nichts nötiger als das Bewusstsein dieser „Sündhaftigkeit“, nicht nur des Scheiterns des modernen Menschen vor jeder ethischen Forderung, die sich nicht zum vornherein nach der Decke streckt, geschweige denn vor der Radikalität der Forderungen, wie sie Jesus in der Bergpredigt aufstellt; sondern das positiv Vernichtende, das noch von unsern wohlgemutesten Anstrengungen ausgeht“ (Cambridge Notebook, S. 93).