Das Lernziel des zweiten der drei ersten Stücke lautet: Die Person von Jesus ist einzigartig. Das zeigt sich beim Lesen der Berichte von ihm und im Vergleich zu dem anderen grossen Religionsstifter, Buddha. Das Geheimnisvolle, Schwierige und Wunderbare ist: Der Gott des Evangeliums will nicht herrschen mit Macht. Denn er will am Ende nicht Marionetten, sondern Kinder um sich haben.
(Hier hat die Personalisierung und Individualisierung der modernen Zeit ihr innerstes Recht. Darum trifft dieses Stück beim Unterrichten oft auf eine tiefe Zustimmung. Gleichzeitig gilt es gerade hier, die moderne Sentimentalität und schamlose Selbstbezogenheit mit der biblischen Botschaft neu auszurichten.)
Grundlage für diesen Unterrichtsschritt ist ein Durchgang durch die Evangelien. Das geschieht sinnvollerwiese in einem Wechsel der Methoden: Gemeinsame und stille Lektüre im Klassenverband, verweise oder mit verteilten Rollen, gefolgt von anschaulich ausgeweiteten oder knapp zusammenfassenden Erzählungen und wiederum vertiefenden Gesprächen. Zur Abwechslung und Bereicherung können einzelne Perikopen (oder gar ein ganzes Kapitel) gehört (und mitgelesen) werden in der Grossen Hörbibel der Deutschen Bibelgesellschaft. (Der Link zu den genauen Angaben finden sich hier.)
Das Ergebnis der einzelnen Lektüreschritte lässt sich substantiell zusammenfassen, indem man bei jeder Evangeliengeschichte wieder fragt: Was hat Jesus in ihr mit allen anderen Menschen gemeinsam? Und wo unterscheidet er sich von ihnen?
Dazu ein mögliches Arbeitsblatt
Am Ende kann man das zusammentragen und formuliert damit, was im Jahr 451 im Dogma von Chalcedon festgehalten wurde: Jesus ist wahrer Gott und wahrer Mensch.
Meisterhaft, und für die Jugendlichen respektheischend, stellt Rembrandt van Rijn Matthäus 19 (beziehungsweise Markus 10) in seinem Kupferstich dar, der das „Hundertguldenblatt“ genannt wird (weil erzählt wurde, der Künstler habe einen der Stich zu diesem Preis zurückgekauft).
Hier findet sich eine Powerpoint dieses Bildes.
Das Bild zeigt die doppelte Wirkung des Evangeliums:
Auf der einen Seite, im Licht, stehen die Menschen, denen es gut geht. Sie haben Macht. Sie beurteilen, wer recht hat – und bleiben auf Distanz zu Jesus. Teils spotten sie, teils schotten sie sich ab gegen die Wirkung seiner Worte, indem sie über das reden, was ihnen wichtiger scheint. Äusserlich sind sie im hellen Licht. Gerade deshalb sind sie in Rembrandts Bild blass. Ihr Leben ist ohne Kontur und Tiefe.
Auf der anderen Seite, äusserlich unter einem schweren Dunkel, sammeln sich Menschen, denen es schlecht geht. Sie sind krank, lahm, blind, arm und notleidend. Zu ihnen trägt das Evangelium sein Licht. Ihre Gesichter widerspiegeln die Bedrängnis, aber auch die Hoffnung und den Dank. Unter ihnen ist auch eine schön gekleidete Frau, der es offensichtlich gut geht (Kunsthistoriker meinen, Rembrandt habe hier seine Mutter portraitiert). Diese Frau weist auf den notleidenden Mann, der vor ihr liegt. Sie sucht das Licht des Evangeliums – nicht direkt für sich selber, weil sie selber es aus einem äusseren Grund nötig hat, sondern aus Liebe und Mitleid zu den vielen Armen. In der Mitte, im Vordergrund, sitzt nachdenklich ein vornehm gekleideter Herr. Es ist der junge Mann, der Jesus gefragt hat, was er tun müsse, um das Reich Gottes zu erben – und zur Antwort bekam, eines fehle ihm: Er solle alles verkaufen und ihm nachfolgen. Das konnte er nicht. Doch im Hintergrund des Bildes, ganz recht, trägt ein Kamel einen Mann durch das Stadttor. Es erinnert an die Aussage, mit der Jesus seine Jünger getröstet hat, als sie über diese harte Antwort an den jungen Mann erschraken: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Reich Gottes. Doch für Gott alle Dinge möglich.
Jesus-Filme
Unzählig viele Menschen tragen ein Bild von Jesus mit sich, das mehr von Filmen als von den Berichten der Evangelien geprägt ist. Deshalb ist es wichtig, die Macht solcher Bilder zu relativieren. Dazu eignet sich besonders gut ein Vergleich der Szenen, in denen die Versuchung Jesu dargestellt wird, zum einen im weit verbreiteten, schlichten Film zum Lukasevangelium von Campus für Christus, zum andern im effektvollen Film von Roger Young. Der evangelistischen Film von Campus für Christus (Minute 18:00) und sehr anders in dem psychologisierenden, von Roger Young inszenierten Kinofilm „Jesus“ (Minute 38:00) in Szene gesetzt wird.
Grundsätzlich sind kritische Bezüge auf die Jesusfilme unerlässlich, weil diese Filme in hohem Mass mitverantwortlich sind für das, was die Menschen unserer Tage von Jesus wissen und denken. Es fördert das Verstehen, wenn kurze Ausschnitte unterschiedlicher Jesusfilme anschaulich machen, wie verschieden die Evangelien ins Bild gesetzt werden, ohne dass sich sagen lässt: Das ist richtig und jenes falsch. Das Erzählen und Lesen darf aber auf keinen Fall ersetzt werden durch den bequemen Konsum von Filmen! Sonst decken die in ihnen erzeugten Bilder die Stimme des guten Hirten zu und erschweren – oder verhindern – dass die Worte der Evangelien in den Herzen die Bilder erzeugen, die der Heilige Geist neu schaffen will für die Menschen, so wie sie hier und heute leben und die Aufgaben ihrer Zeit bewältigen müssen.
Die Versuchung Jesu ist im Umbruch zur Moderne prominent bearbeitet (und danach vielfach thematisiert und bedacht) worden vom russischen Dichter Fjodor M. Dostojewski. Offensichtlich thematisiert sie etwas, das fast alle westlichen Menschen (ohne dass ihnen dies bewusst ist) als Voraussetzung ihrer Lebensziele mit sich tragen: Die Frage nach der Wahrheit und dem Recht wird entschieden durch die Antwort von Macht, Erfolg und Wohlbefinden (Machiavelli, Marx, Freud, Nietzsche).
Die Geschichte von der Versuchung spannt innerbiblisch den Bogen zurück an den Anfang und vergegenwärtigt, was allen Menschen ins Herz gelegt ist: Die Lüge der Schlange (1. Mose 3,5), die sogenannte Ur- oder Erbsünde. Sie lebt in dem omnipräsent irrlichternden Gottesbild, das besagt: Gott ist ein Richter, der um gut und böse weiss und von oben herab Macht ausübt. Die präzise Lektüre der Versuchungsgeschichte zeigt, wie diese tief in unserem Denken und Wollen wurzelnde Gottesvorstellung von Jesus überwunden wird, indem er sich auf die Worte der Heiligen Schriften seines Volkes beruft.
In diesem Zusammenhang kann eine grosse spekulative Frage erwachen: Hat Gott die Welt erschaffen, weil er den „altbösen Feind“, den Teufel und seine Heerscharen, überwinden wollte mit Hilfe seiner Geschöpfe? Will er diese reifen lassen, bis sie zu seinen Mitarbeitern und erbberechtigten Kindern werden? Eine solche Frage ist als Spekulation gewiss erlaubt. Mehr als das darf sie nicht sein.
Der Vergleich mit dem Lebensweg des Prinzen Gautama, dem Buddha, darf nicht den unsinnigen Anspruch erheben, in die reich ausdifferenzierten buddhistischen Erkenntnisse und Lebensformen einzuführen. Das ist für das Lernziel auch nicht notwendig. Es geht um einen ganz elementaren Vergleich: Weil das Evangelium für sich beansprucht, die Botschaft eines Gottes zu sein, der von ausserhalb in das Leben seiner Schöpfung wirkt, kann es den Menschen Hilfe versprechen. Der Buddha hingegen lehrt, dass die Menschen sich selber helfen müssen und können. Im Kern verspricht der Buddha das Ende von allem Leid, während Jesus verspricht, dass sich das Leid in Freude verwandelt.
Didaktisch sinnvoll ist, die legendarische Geschichte des Buddha möglichst packend und schön zu erzählen. In ihr wird die Klage über das Unrecht, das Leid und die Vergänglichkeit in einfache, ergreifende Erfahrungsbilder gefasst. Weiterführend und vertiefend kann man auch eine der vielen Kindergeschichten zum Buddha erzählen. (Das lässt sich auch auf Grund der Angaben auf Wikipedia tun: https://de.wikipedia.org/wiki/Buddha#Lebenslauf.)
Ein Arbeitsblatt fasst die Unterschiede zusammen:
Filme über den Lebensalltag in buddhistischen Klöstern vermitteln einen guten Eindruck, was ein ernsthaftes Streben nach der Erlösung für die Nachfolger des Buddha beinhaltet, und weshalb der Glaube an eine Widergeburt an diesem Ursprung nicht mit der Erwartung von immer noch schöneren Möglichkeiten verbunden ist (wie in den säkularisierten, fortschrittsgläubigen westlichen Ländern), sondern mit dem Respekt vor einer möglicherweise unendlichen Folge von leidvollen Existenzen.
Zu empfehlen sind beispielsweise Filmausschnitte über die besonders authentische Art der buddhistischen Frömmigkeitspraxis im japanischen Kloster
https://www.sotozen.com/ger/photos_videos/eiheiji/index.html
ausführlicher in einer ARTE-Dokumentation: https://www.youtube.com/watch?v=dd8PlVOCeZ8.
Ein Blick in einen Ausschnitt des Palikanons widerlegt die billige Rede, dass alle Religionen dasselbe lehren: Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich mich übe in der Kunst, mit dem steten Gedanken an das widerkehrende Leid die Lebensgier zu töten, oder ob ich mich übe in der Kunst, an die Zusage und an den Trost Jesu zu glauben.