zu 3.3
Das Stück 3.3 will sicherstellen, dass alle das Gebet aller Gebete, das Unservater, kennen und es in seinem unerschöpflichen Reichtum und seiner inneren Ordnung mit Ehrfurcht und Liebe umfangen und Tag für Tag beten.
Die grafische Zusammenfassung macht anschaulich: Das Gebet ist wie eine Antwort auf das, was die Zehn Gebote bewirken. Mit ihren einfachen Forderungen, die wir nicht halten, erschweren uns die Zehn Gebote alle Ausflüchte und schliessen uns ein in das – unangenehme – Bewusstsein, dass wir „im Gesetz der Sünde“ gefangen, „unter die Sünde verkauft“ sind (Römer 7,14.23). Das Unservater dagegen eröffnet die Möglichkeit, aus dieser Verfangenheit in der Sünde auszubrechen durch das tägliche, persönliche und gemeinsame Beten und Flehen. Und es formt das Beten zum ewig Guten. Es hilft, die Prioritäten richtig zu setzen: Zuerst formuliert es die Bitten, die mit den Anliegen Gottes korrespondieren: «Du», «dein». Dann folgen die Bitten, die ausformulieren, was dem menschlichen Leben im Alltag und was ihm im Hinblick auf das ewige Schicksal geschenkt werden muss: «Unser», «uns».
Um sich diesen inneren Aufbau des Unservaters klarzumachen, ist es hilfreich, seine Bitten in das Arbeitsblatt einzutragen und den Wechsel vom «Dein» zum «Uns» mit Farbe zu markieren.
Ein Videoclip kann auf schöne Weise vergegenwärtigen, an was für einer reichen, vielsprachigen Gemeinschaft das Unservater den Betenden Anteil gibt.
https://www.youtube.com/watch?v=bU9c5qKRnIU
Die erste überlieferte Abschrift des Unservaters, erhalten in einem Schulbuch aus dem Jahr 800, das heute in der Klosterbiblothek St. Gallen liegt, erinnert daran, dass das Unservater auch mit den vorangehenden Generationen verbindet.
In vielen Kirchen liegen heute Bücher auf, in denen die Besucher ihre Gebetsanliegen eintragen. Eine repräsentative Zusammenstellung solcher Anliegen aus einem Heft, das im Basler Münster auflag, gibt Anlass, sich den Reichtum des Unservaters zu Herzen zu nehmen und das eigene Beten zum Besseren und Grösseren auszuformen.
Am Beispiel dieser vielen, scheinbar ganz disparaten Gebetsanliegen kann man zunächst wohlwollend deuten: Wie lassen sich diese Wünsche und Bitten einfügen in die sechs Bitten, die Jesus im Unservater den Betenden mitgibt? Dabei zeigt sich: Die allermeisten Bitten kreisen um das, was im Unservater nur knapp, aber doch ausdrücklich genannt wird: das tägliche Brot (also die Gesundheit, Verdienstmöglichkeiten, die Kraft und die Lust für das, was Tag für Tag von einem Menschen gefordert ist). Viel seltener gelten die Bitten dem, was im Zentrum dessen steht, was wir nach der Anleitung von Jesus für uns von Gott erbitten sollen: Die Vergebung, verbunden mit der einzigen Zusage, die das Unservater den Betenden abverlangt, nämlich, dass auch wir bereit sind, zu vergeben. Noch seltener finden sich in den vielen frei formulierten Gebetsanliegen Anklänge an das, was der erste Teil des Unservaters den Betenden ans Herz legt: Die drei Bitten, mit denen wir uns dafür engagieren, dass Gottes Wille und Werk seinen guten Fortgang nehme. Insbesondere die erste, für Jesus die offenbar wichtigste Bitte, ist fast völlig abwesend in den Gebeten unserer Zeitgenossen: Das Engagement dafür, dass Gott gegenwärtig sein will durch seinen Namen, und dass dieser Name missbraucht und entheiligt werden kann, mit schrecklichen Folgen für unzählig viele. –
Wird dieses Arbeitsblatt umsichtig thematisiert, kann das dazu beitragen, eine ganz elementare Erkenntnis zu fördern: Jesus will unseren Gebeten die rechten Inhalte und die rechte Form geben. Zwar dürfen wir durch Gottes Gnade zu ihm kommen mit allen unseren Anliegen! Doch er will diese Anliegen nicht nur hören, und er will schon gar nicht auf sie alle wohlwollend eingehen. Er erwartet vielmehr von uns, dass wir uns – gerade beim Beten! – disziplinieren, dass wir in der Liebe reifen und aus den kindischen Erwartungen hinauswachsen und einstimmen in das, was der Vater Jesu tun und an dem er uns Sterbliche beteiligen will. Dieses Werk ist unüberblickbar vielfältig, in seinem Kern aber ganz einfach – und über alle Massen gross und schwer: Gott will den Frieden, der nicht aus dem Bösen, sondern aus der Wahrheit, aus der Vergebung erwächst.
Dem entspricht, dass ein grosser Theologe und Beter wie Martin Luther sich offen dazu bekannt hat, er habe sich viele Male vorgenommen, das Unservater ganz konzentriert und ohne abzuschweifen zu beten – was ihm aber nie gelungen sei. Das Unservater ist umfassender, und er reicht weiter und tiefer, als irgendein Mensch fassen kann.
Besonders ergreifend ist im Hinblick auf die fünfte und sechste Bitte die Geschichte der jungen, katholischen Frau Immaculé Illibagiza. Sie ist Tutsi und hat den Völkermord in Ruanda im Jahr 1996 überlebt. Drei Monate lang hielt sie sich, von einem Pastor notdürftig versorgt, mit sieben anderen Frauen in einem kleinen Toilettenraum verborgen. Sie hörte die Schreie derer, die sie töten wollten, vor dem Haus, und wusste, dass sie ihre Eltern und Geschwister getötet hatten. Eindringlich schildert sie, wie sie während ihren flehentlichen Gebeten die Gegenwart des Teufels spürte, geradezu leibhaftig. Und wie sie – menschlich mehr als verständlich – gegen einen heftigen, zähen Widerstand kämpfen musste, bis sie das Unservater ganz beten und sagen konnte: „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“.
Sie hat das beschrieben in dem Buch: Aschenblüte. Ich wurde gerettet, damit ich erzählen kann. https://www.google.ch/books/edition/Aschenbl%C3%BCte/20LYGAAACAAJ?hl=de
Verschiedene persönliche Stellungnahmen und Vorträge von Immaculé Illibagiza finden sich heute zahlreich auf dem weltweiten Netz, zum Beispiel
eine kurze Darstellung https://www.youtube.com/watch?v=cvjvxN_bVWI
oder eine Rede an einer Jugendkonferenz (mit deutscher Simultanübersetzung) https://www.youtube.com/watch?v=QP6C_FB6_cw
oder eine Darstellung mit einer Rede an einer hochdatierten internationalen Veranstaltung: https://www.youtube.com/watch?v=g3v7gyK2NkE
Für die Nacherzählung im Jugendgottesdienst lässt sich das Buch in Stücke aufteilen, zum Beispiel so.
Die skrupellos dummen Planungen, die beschämenden Intrigen und die arroganten Fehleinschätzungen, die das Grauen des Völkermordes in Ruanda möglich machten, schildert der Kommandant der UNO-Friedenstruppe, Roméo Daillare, in seinem Buch „Handschlag mit dem Teufel“ mit seinen Kenntnissen aus allererster Hand. So dokumentiert er, eingebettet in zahllose alltäglich nüchterne Hintergrundinformationen, dass die abschliessende Bitte des Unservaters eine unheimliche Aktualität hat: „Erlöse uns von dem Bösen“!
Sein ergreifender Rechenschaftsbericht findet sich in dem Buch «Handschlag mit dem Teufel»: https://www.exlibris.ch/de/buecher-buch/deutschsprachige-buecher/romeo-dallaire/handschlag-mit-dem-teufel/id/9783866748095/?utm_source=google&utm_medium=cpc&utm_campaign=Performance+Max+CSS+Zombies+B_1+%26+B_2+(pm-CH-de)&utm_content=&utm_term=&gad_source=1&gclid=CjwKCAjw6c63BhAiEiwAF0EH1Ib8rzixJEGcn52ZanHE7yYUqosDEul6ib73iwhunC-2He7OGYOIpBoCGfsQAvD_BwE
Eine (leider nicht sehr aussagestarke) Dokumentation bietet der darauf basierende Dokumentarfilm Handshake with the Devil: https://www.dailymotion.com/video/x88q7dl
Zu kaufen bespielsweise: